Oriens-Occidens verbindet Christen
verschiedener Kirchen aus Ost und West
Auslandseminar Ukraine 2016
Dankwallfahrt anlässlich des 25-jährigen Gründungsjubiläums von Oriens-Occidens e.V.
nach Zarwanitsya und Lemberg/Ukraine (01. - 07. September 2016)
Wie jeden Morgen in Lemberg feierten wir mit Archimandrit Dr.
Thiermeyer, Prof. Vasyl Rudeyko, Dr. Andriy Mykhaleyko,
R. Kürzinger und einem weiteren Priester in der Kirche „Seliger
Klemens“ eine gemeinsame Liturgie. Und wie jeden Morgen in
Lemberg gab es anschließend im Gemeindesaal unterhalb der
Kirche ein gemeinsames, sehr reichliches Frühstück, das von Vasyl
und seinen „Engeln“ für uns vorbereitet wurde. Dem Gotteshaus
„Seliger Klemens“ und dem dortigen Pater Sebastian ist Vasyl sehr
verbunden; hier feiert er regelmäßig die Göttliche Liturgie. Deshalb
konnte er uns auch eine ausführliche Kirchenführung geben.
Der Pfarrer dieser Kirche – Pater Sebastian – ist ein großer und
angesehener Kunstliebhaber und –sammler. Im Laufe der Jahre hat
Pater Sebastian mehr als 5000 Exponate gesammelt – oder besser
gesagt, vor dem Verfall bzw. der Zerstörung bewahrt. Ein kleiner Teil
dieser Schätze (Bilder, Ikonen, Kreuze, kunsthandwerkliche
Arbeiten, Reliquien usw.) ist im Kirchenraum ausgestellt. Ein ganz
besonderes Augenmerk dieser Ausstellung ist dem früheren
Erzbischof von Lemberg, Jossyf Slipyj, gewidmet. Vasyl berichtete
uns auch davon, wie Pater Sebastian zu seinen Schätzen kommt.
Nach seiner Aussage hat Pater Sebastian ein Gespür für besondere
und wertvolle Dinge und vor allem für die ungewöhnlichen Orte, an
denen diese meist sakralen Gegenstände zu finden sind. Oftmals ist
den Menschen vor Ort nicht klar, welche Schätze bei ihnen
schlummern.
Im Anschluss fuhren wir mit der Straßenbahn in einen anderen Teil
der Stadt zur Kirche Hl. Olga und Elisabeth. Diese Kirche war vor
dem 2. Weltkrieg römisch-katholisch; während des Krieges wurde
sie sehr stark in Mitleidenschaft gezogen; nach dem Krieg diente
sie der Sowjetmacht als Lagerraum. Inzwischen wurde die Kirche
sehr geschmackvoll renoviert und umgebaut und ist im Besitz der
griechisch-katholischen Kirche. Auf dem weiteren Weg durch die
Stadt kamen wir an dem Heldendenkmal von Stepan Bandera
vorbei. Er war im 2. Weltkrieg ein berühmter Anführer der
ukrainischen Nationalisten und wurde 1959 in München ermordet.
Unser nächstes Ziel war die St. Georgs-Kathedrale: Im 19. und 20.
Jahrhundert fungierte die monumentale St. Georgs-Kathedrale als
Hauptkirche der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. Im
März 1946 war sie der Ort, an dem die Scheinsynode zum
Anschluss der griechisch-katholischen Kirche an die russisch
orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats beschlossen wurde.
Zu dem Zeitpunkt befanden sich die Bischöfe der griechisch
katholischen Kirche allesamt in Haft. De facto wurde die Kirche
aufgelöst und für illegal erklärt.
In der Krypta der Kathedrale befinden sich die Sarkophage der
Metropoliten Scheptyzkyj und Slipyj sowie des Erzbischofs Sternjuk.
Für unsere Gruppe war es selbstverständlich, dass wir die Krypta
dieser großen Männer der griechisch- katholischen Kirche
besuchten und ein besonderes Erlebnis für uns war es, dass wir
einen Blick in den geöffneten Sarg des Metropoliten Jossyf Slipyj
werfen durften. Der Mesner der Kathedrale, der uns diese
besondere Gelegenheit ermöglichte, hat die Zeit der
Untergrundkirche selbst erlebt und erzählte uns von seinen eigenen
Erlebnissen in dieser dunklen Zeit der Kirche.
Nach dem obligatorischen Besuch des Klosterladens und der
anschließenden Stärkung in einem unserer Lieblingsrestaurants
„Pusata Chata“ führte unser Weg vorbei an dem berühmten
Denkmal des Schriftstellers Taras Shevchenko, der die moderne
Sprache und Lyrik der ukrainischen Sprache begründet hat.
Unser nächstes Ziel war die sogenannte „Garnisonskirche“. Bis 2004 wurde die ehemalige Jesuitenkirche als Bücherlager genutzt. Seither wird die
Kirche renoviert, wobei sich der Abschluss der Renovierungsarbeiten noch über viele Jahre hinziehen dürfte. In einem Teil der Kirche wird auch der
Opfer des Majdan und der gefallenen Soldaten in der Ostukraine gedacht, was uns vor Augen führte, dass sich die Folgen des Krieges im Osten der
Ukraine auf das ganze Land auswirken.
Die 1875 – 1898 gebaute und 1906 eingeweihte Verklärungskirche spielte eine sehr wichtige Rolle in der griechisch-katholischen Kirche: Sie war die
erste Kirche, die nach der Wende 1989 wieder von der griechisch-katholischen Kirche in Besitz genommen wurde. Mit dieser Inbesitznahme wurde
die Rückführung des kirchlichen Eigentumes an die griechisch-katholische Kirche eingeleitet. Die Innenausstattung ist größtenteils dem Barock
zuzuordnen und sie gehört zu den am prunkvollsten ausgestatteten Kirchen in der Stadt. Die Verklärungskirche zeichnet sich durch eine
ungewöhnliche Beleuchtung aus. Diese verdankt sie den zahlreichen Fensternischen, die dicht unter der Kuppel eingelassen sind. In dieser Kirche
wurde Andriy Mykhaleyko zum Priester geweiht.
Als nächstes besichtigten wir das Ensemble der Armenischen Kathedrale. Die Gemeinschaft der Armenier war die größte der Einwanderergruppen in
Lemberg. Die Armenische Mariä-Entschlafungskathedrale wurde im 14. Jahrhundert im armenischen Viertel von Lemberg vom schlesischen
Baumeister Doring nach dem Vorbild der Kathedrale von Ani in der ehemaligen Hauptstadt Armeniens errichtet. Da die Kathedrale zu verschiedenen
Zeiten und Epochen aus- und umgebaut wurde, weist sie heute eine Vielfalt von unterschiedlichen architektonischen Stilen auf. 1945–2001 wurde
auch diese Kathedrale von den Sowjetbehörden geschlossen und diente als Lager für Kirchenmobiliar aus anderen geschlossenen Sakralbauten. Die
Innenansicht der Armenischen Kathedrale ist reich und orientalisch farbig. Der Hauptschmuck der Kirche sind die Fresken im Stil der altrussischen
Malerei, die seit dem 14./15. Jahrhundert unbeschädigt blieben. Nicht weniger beeindrucken auch die Fresken, die vom polnischen Maler Jan Rozen
am Anfang des 20. Jahrhunderts geschaffen wurden. Obwohl die Kirche mit Fresken im Jugendstil ausgemalt wurde, ordnen sie sich sehr gut in das
Gesamtbild des Innenraumes ein. Nach Aussage von Vasyl gilt der Pfarrer der Kathedrale als tiefgläubiger Priester und der Diakon als sehr guter
Sänger.
Unser Stadtrundgang führte uns weiter zur Lateinischen Kathedrale – auch „Polnische Kirche“ genannt, die der Entschlafung der Gottesmutter
geweiht ist. Sie ist eines der ältesten und berühmtesten Baudenkmäler Lembergs. Die Kathedrale wurde zu verschiedenen Zeiten gebaut, um- und
ausgebaut, wodurch das Kathedralengebäude unterschiedliche Merkmale aufweist. Der Bau der Lateinischen Kathedrale wurde 1370 im Gotikstil
begonnen. Nach einem großen Brand im 16. Jh. wurde die Kirche wiederaufgebaut und im 18. Jh. im Barockstil umgebaut. Bemerkenswerte
Malereien befinden sich auf der Decke und an den Wänden der Kathedrale. Das Gotteshaus weist speziell entworfene Glasfenster auf, sowie
eigentümliche Kapellen mit einer großen Anzahl von Grabmälern, Ikonen und Schnitzereien.
Nach dieser intensiven und engagierten Führung durch verschiedene Kirchen der Stadt hatte jeder Zeit, nach Lust und Laune den Nachmittag zu
gestalten: zu bummeln, durch die Stadt zu flanieren oder einzukaufen. Und zu unserer großen Freude gesellten sich auch die Familien von Andriy und
Vasyl zu uns. Unser erfüllter Tag fand den Abschluss mit einem gemeinsamen Abendessen in „Pusata Chata“ und klang aus bei Bier, Wein, Saft etc.
auf dem Hauptplatz neben dem Rathaus. Dazu gab es „apokalyptische Klänge“ einer jungen Musikergruppe aus der Ukraine. Andriy und Vasyl haben
uns mit großem Wissen und Engagement auch diesen Tag über begleitetet und uns mit Informationen und allem anderen versorgt, das für Leib und
Seele notwendig war. (Anna und Karl Ellert)