Oriens-Occidens verbindet Christen
verschiedener Kirchen aus Ost und West
Sommerseminar 2023
Klöster und Kirchen in Oberschwaben
vorbereitet, unterstützt und geleitet von den emsigen Adjutanten des Orients und des Occidens
Maria und Joachim Sailer und Andreas Gressierer
zum großen Gefallen und mit geistlicher Begleitung
durch Archimandrit Dr. Andreas Abraham Thiermeyer und Debora Bode
Diese Exkursion, also der Ausritt ins Schwabenland, ist und war eine rundum barocke Veranstaltung zur Erkundung
barocker Landschaften und barocker Lebenswelten. In diesem Sinne ist es von zentraler Bedeutung, Stil und damit
verzierende Schnörkel als die einzige dem Reisebericht angemessene Form zu wählen. So wollen wir beginnen!
28. August 2023 [Geburtstag Goethes und Todestag/Geburtstag des hl. Augustinus]
Tag der An- und Einfahrt des visuell und spirituell ausgehungerten Hofstaates, einer Abteilung der „Ori-ens Occidens-Schar“, mit mittlerweile von selbst sich
bewegenden rollenden Kutschen zur Begutach-tung der prächtigen Basilika der Abtei Ottobeuren mit vorausgehender Kräftigung und Stärkung der
ausgemergelten Leiber des von Wissbegier getriebenen Gefolges samt Archimandriten.
16:00 Uhr: Erscheinen eines in die Basilika minor einschwebenden Geistes in Gestalt des Paters Ru-pert, des Genius Loci. Wie sich an bestimmten Orten und
manchmal auch in bestimmten Personen Schnittpunkte ergeben zwischen Gegenwart und Vergangenheit, so verkörpert dieser führende Geist bereits mit seiner
Vita den herausragenden Führer durch die überwältigende Größe des Gotteshauses. Studiert habend im barocken Eichstätt, Zwischenstation genommen im
Südtiroler Marienberg, dem Tochterkloster Ottobeurens, und nun am Schnittpunkt zwischen Nord und Süd sitzend, in Ottobeuren, eröffnete Pater Rupert als
Kenner der Kunstgeschichte sowie der Religionspädagogik und der Theologie den Reigen der Zusammenhänge, so dass das barocke Theater mimisch und
gestisch und vor allem durch wohl gesetzte Worte auferstand. Die hier in Stuck und Farbe und Architektur lebendig werdende Theologie - in der Symbolik und
Ideengeschichte sowie in den Artefakten - zeugen von den Spuren, welche den Heiligen Geist, der hier offensichtlich schwebt, sichtbar werden lassen.
Die heutige Pracht geht zurück auf die Initiative eines Abts, der wohl nicht zufällig den Namen unseres Führers trägt, nämlich Rupert II. Ness. Nach einer Tabula
rasa, welche einen Neuanfang im Visier hatte, ließ dieser Abt den Grundstein legen für eine völlige Neuausrichtung der Kirche, welche den Zeichen der Zeit
angemessen erschien. Anfang des 18. Jahrhunderts konnte so die neue Reichsabtei aufgebaut werden. Unter den Architekten, Malern und Stuckateuren finden
sich u.a. die berühmten Namen Domini-kus Zimmermann ebenso wie Johann Michael Fischer oder Meister aus Wessobrunn.
Mit demütigem Stolz beginnt Pater Rupert seine Führung der Kirche, welche dem Heiligen Theodor und dem Märtyrer Alexander geweiht ist, am
Eingangsportal, um die geistige Gesamtidee auch spürbar wer-den zu lassen. Die dunkle Eingangshalle entlässt jeden Eintretenden in ein überwältigendes
Licht, von der Thematik der Erbsünde führt alles auf das zentrale Kreuz im Mittelpunkt zu und eröffnet der Seele die Hoffnung auf das alles überstrahlende
göttliche Licht. Ebenso führt dann der Raum über Darstellun-gen des Alten Testaments hinein in das zentrale Geschehen von Tod und Auferstehung, das in der
ge-stalteten Offenbarung des Hochaltars sein Ziel findet. Hier erscheint die Gottheit mit dem hebräischen Tetragramm, die sich als ein Gott in drei Personen zu
erkennen gibt und die, symbolisch auf seiner lin-ken Seite, den Sohn hinabsteigen lässt, um die Erlösung zu ermöglichen.
Die als Orchestersaal berühmt gewordene Basilika, in der viele klassische Werke aufgeführt wurden und werden, lässt zum Lobe Gottes ebenso berühmte
Orgeln erklingen, so die Dreifaltigkeits- und die Heilig-Geist-Orgel. Sie wurden bald nach der Fertigstellung der barocken Kirche durch den aus Ottobeuren
stammenden und in Dijon bereits Erfolge gefeiert habenden Karl Joseph Riepp erbaut. Im 20. Jahrhun-dert wurden sie durch die Orgelbaufirma Steinmeyer aus
Oettingen wunderbar restauriert. Auch die Oh-ren werden neben den Augen erfreut.
Und wieder führen hier die Linien zueinander und kreuzen sich. Sichtbar wird es vor allem an einer Ge-genüberstellung von Altem und Neuem Testament,
jedoch auch in den Parallelen der Vita des heiligen Benedikt. All dies kunstvoll und theologisch fundiert nach dem Prinzip der typologischen Gegenüberstel-lung
und gegenseitigen Verweisung. So wie Abraham berufen wird, so auch Benedikt, so wie Jesaja weissagt, so ebenso Benedikt. Und wenn Elia ins Paradies
einfährt, so wird Benedikt auch im Tod ver-herrlicht. Dieses Verweissystem findet seinen Höhepunkt im Altarraum, wenn die Figuren des Chorge-stühls zum
einen die unerlöste Menschheit widerspiegeln, dann aber auch die Hoffnung, indem eine einzige Figur den Blick nach oben wendet und hier Gott
höchstpersönlich ihm, dem Einzelnen, Antwort gibt. Überhaupt sind diese Verweissysteme wie in einem Orchester gestaltet, indem jedes Bild, jede Figur wie
auch jede Farbgebung wiederum aufgefangen wird von einem Gegenüber, so dass Bibel und Welt, göttliche und menschliche Sphären so aufeinander
verweisen, dass man das barocke Theater nicht als ein reines Theater erkennt, sondern als einen den Menschen Sinn und Orientierung gebenden Tanz. Man
steht in der Kirche im Schnittpunkt von Himmel und Erde und weiß das Irdische im Blick auf das Himmlische zu sehen und zu deuten. Aus der Fülle dieser
unglaublichen Zahl von Verweisen greift Pater Rupert immer wieder zentrale Aspekte heraus, indem er in die Fußstapfen der Baumeister dieser Basilika tritt; er
unterfängt und unterstützt mit wohlgesetzten Worten, er untermauert und zieht Querstre-ben ein. Sein Vorbild ist sicherlich Abraham a Sancta Clara, der geniale
Barockprediger, der auch seine Predigten mit Ornamenten und thematischen Bildern geschmückt und diese teilweise stark gepfeffert hat, eben Witz und Geist
sprudeln ließ. Die Vorführung der hölzernen Spuknäpfe im Chorgestühl ist ebenso eine Erwähnung wert wie die Erläuterung Augustinischer Philosophie und
Theologie anhand ei-nes prächtigen Altargemäldes.
Im Zentrum der Kirche steht natürlich das 1714 wiederentdeckte Kreuz, nicht nur symbolisch, sondern auch theologisch und kunstgeschichtlich der Mittelpunkt der
Basilika und das Zentrum der gesamten Anlage, die ein wahrhaft gigantisches Ausmaß hat, da sie als Reichsabtei zuständig war für Verwaltung und Regierung
eines beachtlichen Areals. Das Kreuz dominiert die Anlage und auch die Basilika. Der Blick richtet sich unmittelbar auf das Zentrum des Heilsgeschehens und
weitet den Blick darüber hinaus in den Himmel. Und selbst das Pflaster des Bodens im Altarraum ist hier nicht dem Zufall überlassen oder reine Ästhetik, sondern
spiegelt den Heilswillen Gottes wider. Im Chaos der Erde erstrahlt der acht-zackige Messias-Stern, der die Hoffnung aufleben lässt.
Aber auch ein kurzer Abstecher hinter eine Säule und auch in den Vorraum eines Seitenschiffs zeigt noch einmal die Raffinesse des Bauwerks und auch die
Tatsache, dass alle Details, jede geschnitzte Altarschranke und jedes Tuch, der Verkündigung dienen.
So verlassen die bereits staunend Eingetretenen, die noch lange verweilen, dieses Blitzgewitter zwar nicht erschlagen, aber umschwebt von der Wolke der Sinne,
um zum Abschluss und am Abend den Kosmos auch geistig-spirituell aufleben zu hören in den Lobpreisungen der Psalmen-Gesänge der Mön-che. Die Vesper
beendete die Führung.
Und es ward Abend und es ward Morgen: 29. August
Der Tag begrüßte die Gemeinschaft der begeisterten Sängerinnen und Sänger in der zur Verfügung ge-stellten Gästekapelle der Abtei. In den Troparien und
Kondakien wurden neben Johannes dem Täufer ebenso der Abtei-Heiligen Alexander und Theodor gedacht.
Gestärkt mit einem opulenten Frühstück, bewegten sich die Kutschen zum nächsten Höhepunkt der Führung durch das Münster St. Peter und Paul in
Obermarchtal. Der wohl kundigste Führer durch die Kirche erwartete sie bereits im Eingangsportal zum ehemaligen Kloster. Der ehemalige Leiter der hier
ansässigen akademischen Ausbildungsstätte für Lehrer und Lehrerinnen der Diözese Rottenburg machte seinem ehemaligen Beruf alle Ehre, indem er
anschaulich und umfassend alles auf den Punkt brachte.
Der frische und etwas leisere Barock, der die Kirche ziert, ist den Benediktinern und auch den Prä-monstratensern zu verdanken, während das Eingangsgitter sich
wieder an den Klassizismus anlehnt. Trotzig steht die Kirche als Zeichen der katholischen Gegenreformation da, denn hier war eine der Gren-zen, an denen sich
die evangelische und die katholische Konfession klar und in Kampfmontur gegen-überstanden. Von dieser trutzigen Art zeugt auch die Tatsache, dass die Kirche
mehrmals verschwun-den war und wieder aufgebaut wurde. Sie lag unter anderem auch auf dem Reiseplan der Marie Antoinet-te, als sie – ebenfalls in einer
rollenden Kutsche - in Richtung Frankreich unterwegs war, um ihrem Schicksal entgegenzufahren. Sie war somit eine würdige Vorläuferin der Besuchsgruppe aus
Ost-Bayern, welche die Grenze nach Frankreich aber tunlichst vermied.
Die harte Grenze der Konfessionen, welche an der Donau erkennbar war, trennte nicht nur die Lutheri-schen von den Katholischen, auch die geteilte Orgel
spiegelt die zwei Dynastien der Benediktiner und der Prämonstratenser wider. Der Kampf ist auch das vorherrschende Thema in der Kirche. 90 Jahre dauerte der
Bau und das merkt man auch an den unterschiedlichen Stilen im Inneren. Der heilige Tiberi-us ist der kämpferische und der Wallfahrt den Namen gebende
Märtyrer aus der Römerzeit. Sein Haupt kam im 17. Jahrhundert in die Barockkirche. Ebenso ist der heilige Norbert in der Kirche als ein unbe-quemer und
asketischer Reformer präsent. All das spiegelt auch der Marthaler Plan wider, der als päda-gogisches Konzept hier entwickelt und in kirchlichen Einrichtungen und
Schulen vielfach aufgegriffen wurde, nun jedoch friedlich und Kinder wie Jugendliche an die Hand nehmend.
Einfühlsam und kenntnisreich, wie es sich für einen ehemaligen Pädagogen gebührt, erklärte unser Füh-rer auch die an die Kirche anschließenden Gebäude, die
zum Teil als Lehrerbildungsstätte und als Aka-demie genutzt werden und in der Zwischenzeit - nach der Säkularisation - vom Fürstengeschlecht der Thurn und
Taxis als Jagdschloss gebraucht wurden. Auch im Saal des ehemaligen Refektoriums, einem Spiegelsaal, wird wieder der symbolische Kosmos der Welt sichtbar,
den die Erbauer mit der symboli-schen Welt-Zahl der Vier als Gesamtprogramm darzustellen wussten. Die vier Jahreszeiten korrespon-dieren mit den vier
Elementen und diese wiederum mit den vier Tugenden, der Besonnenheit, der Weis-heit, der Tapferkeit und Gerechtigkeit. Dies dürfte zum Herrschaftsprogramm
eines Fürsten ebenso gut passen wie zum Programm einer Lehrerausbildungsstätte. Mit diesen Tugenden im Gepäck konnte sich das fahrende Volk der
Wissbegierigen nun in dem nahegelegenen Gasthaus an schwäbischen Delika-tessen erfreuen.
Und darauf stand nach zehn Minuten Fahrzeit schon wieder eine Steigerung an. Die Gruppe tauchte unmittelbar vom Bad des Barock in das Tiefseebecken des
Rokoko. Wer Zwiefalten besucht, braucht einen Kirchenführer, einen lebendigen. Denn der papierene ist ausverkauft bzw. vergriffen; das ist nicht verwunderlich.
Die Kirche zu „Unserer Lieben Frau“ konnte in ihrer nicht steigerbaren Fülle nur von einem abgrundtief nüchternen Betriebswirt erläutert werden. Dieser erwies
sich als Meister der schnellen Zunge. Wie sich das Rokoko überschlägt und Purzelbäume vollzieht, so überschlugen sich die Fakten, die dem eloquenten Mund
des nur äußerlich scheinbar nüchternen Menschen entströmten. Es folgt nun ein erbärmlicher Versuch, dieses Stakkato hörbar zu machen. Denn die Kirche selbst
ist nicht be-schreibbar, man kann sie nur mit den Augen und Ohren erleben, oder eben in der Wolke aus Worten, welche die Augen in einem Zickzack durch die
Kirche führen. Das Symbol dieser Kirche ist der Pfeil, der von einer Ecke in die andere abgeschossen wird, um gleich wieder zurückgeschossen zu werden und
weiterzuführen in eine nächste Ecke, welche wieder auf eine andere Figur verweist, die schon wieder einen Verweis gibt auf eine andere Gruppe, die mit den
Fingern wieder auf andere zeigt. Unglaublich!
Ein Auszug: „Das Bild der Bekehrung des Frankenkönigs Chlodwig - seine Gattin, die ihn zur Umkehr auffordert - die Engel der Apokalypse - thematische
Darstellung von Lasterhaftem mit Schmetterlings-flügeln – der heilige Ambrosius - der bayerische Kurfürst - Engel suchen nach einem Versteck unter dem
Himmelsmantel - die Eingeweide des Erasmus - Verweis auf den Arianismus - diverse Wessobrunner Stuckateure - der Arm des Königs Stephan - Glaube Liebe
und Hoffnung vor der Kanzel - Besuch des Tals von Citeaux – die Kanzel der Ezechiel-Gruppe – der Baum der Erkenntnis mit Früchten und Schlange als
Kanzelfuß - Skulpturen des Moses und Johannes des Täufers - Kreuzbaum mit dem Ge-kreuzigten - Totengebein mit Skeletten und Knochen, die mit Muskeln,
Sehnen und Haut überzogen sind - der Geist Gottes - vier vergoldete Putten als Personifikationen der vier Winde – Babylon und Jerusa-lem - Verehrung Mariens -
Flammenzungen - Bernhard von Clairvaux - Meinrad mit den zwei Raben - Engel Gabriel – das Lamm Gottes – der Petrusschlüssel…“
Es gibt kein Ereignis, keinen Heiligen, keine Allegorie, den diese Kirche nicht direkt oder indirekt er-wähnt oder gar zur Erscheinung bringt. Anschauen und
Staunen!
Er hat es letztlich geschafft, der Betriebswirt mit der leichten Rokokozunge, er hat in einer Stunde den gesamten Kosmos zum Leuchten gebracht. Vielleicht sollte
man ihn für drei bis vier Stunden buchen, dann leuchten die Schnittpunkte zwischen Kloster und AT und NT und Himmel und Erde noch strahlen-der auf. Mit Hilfe
einer punktierenden Taschenlampe konnten das Auge und das Gehör folgen. Der Stift des hier Notierenden jedoch nur stellenweise.
Rokoko erscheint hier als das, was es ist, ein Spiel. Ist der Barock das Theater der Welt, dann das Ro-koko die göttlich-menschliche Komödie der Geistesblitze.
Alles fügt sich: Theologie und Geschichte und Dogmatik und Architektur und Statik und Farben-Design und Symbolverweis und - und... Herrlich! Die Engel decken
es auf: Im Nachhinein erweist sich das einzelne und das singuläre Ereignis als letztlich logisch und sinnvoll und im Licht der göttlichen Vorsehung erhält es seine
Bedeutung.
Auf Zwiefalten musste Wiblingen folgen. Denn nach der Fülle braucht es Ruhe und eine innere Ein-kehrmöglichkeit. Hier war die Führerin durch das Münster St.
Martin durch die langsame und betonte Art sowie mit Hilfe vieler Pausen in ihrem Vortrag ein Kontrast, der sich als wunderbare Ergänzung des zuvor Erlebten
herausstellte. Dahinter konnte nur die geniale Planung der drei fleißigen Vorbereiter ste-cken. Denn der klassizistische Baustil ließ bereits ein Motto der
Goethezeit mit dem Sinnspruch der edlen Einfalt und stillen Größe spürbar werden. Diese erholsame Schlichtheit im Bau und in der Ausstat-tung der Kirche
gingen Hand in Hand mit dem Vortragsstil von Frau Pfaff. Die Möglichkeiten zugunsten einer liturgischen Entfaltung, die der Raum bietet, wurden sehr begrüßt, vor
allem durch Archimandrit Dr. Thiermeyer. Wenige Bilder, wenige Figuren, übergroß.
Holzpartikel, die von der Kaisermutter Helena aufgefunden wurden, stammen vom Kreuz Christi und werden wie an vielen anderen Orten in der Klosterkirche in
Wiblingen in einem Schrein aufbewahrt und verehrt. Die Rückführung des von den Persern geraubten Kreuzes zeigt auch ein Gemälde der Kirche. Das spiegelt
sich auch in der Symbolik des Doppelkreuzes von Wiblingen wider.
Wieder etwas opulenter und überaus beeindruckend war dann in der Folge der Bibliothekssaal mit sei-nen vielen Holzfiguren und Deckengemälden, welche antike
Gelehrsamkeit ebenso offenbart wie die Missionstätigkeit. Während die Figuren vier christliche und vier weltliche Allegorien darstellen sollen, ist das
Deckengemälde mit religiösen Szenen bemalt, von Adam und Eva bis zu Szenen des Klosterle-bens. Hier ist wieder eine kurze Reminiszenz an das Rokoko zu
erleben, hier aber in einem relativ über-schaubaren Raum.
Diese Überfülle an Eindrücken musste sortiert werden und sie wurde bei einem Abendessen in Ottobeu-ren verdaut.
Und es ward Nacht und es ward Morgen: 30. August
Wieder durfte der Tag sich an seiner Begrüßung durch die Gemeinschaft der begeisterten Sängerinnen und Sänger in der Gästekapelle erfreuen.
Variatio delectat. Dies mag das Motto in den Köpfen der genialen Planerinnen und Planer gewesen sein, denn nach einer Überfülle an Geistlichem ist ein Ausflug
in die Welt des Bürgerlichen und der Landwirt-schaft ein befreiendes Kontrastprogramm für Körper und Seele. Aber niemals fehlt hier der religiöse Bezug, ganz im
Gegenteil. So führte die erste Station an diesem Tag nach kurzer Fahrzeit in die freie Reichsstadt Memmingen. Eine vielschichtige und schöne Stadt, in welche die
Gruppe von einer eben-so vielschichtigen Dame eine sehr profunde Einführung erhielt. Dass die Geschichte der Stadt, die in bunten Geschichten erzählt wurde,
zugleich Anlass bot für viele Geschichten, die dem Bereich der Le-benshilfe entströmen, war eine wunderbare Bereicherung, die man mit nach Hause nehmen und
in sei-nem Alltag umsetzen konnte. Nach diesen lebenskundlichen Erläuterungen war man sicher, dass man Lösungen für Beziehungs-Probleme ebenso hatte wie
für Lebenskrisen. Denn es wurde hier erklärt, wie in dieser Stadt zur Erlangung von Geständnissen Daumen gedrückt wurden oder Menschen auf die Ga-leeren
nach Venedig geschickt werden durften, wenn sie nicht brav waren. Es zeigte sich hier die harte Gerichtsbarkeit einer freien Reichsstadt. Ein Beispiel hierfür ist
auch der Hexenturm, der umgewidmet wurde in ein Gefängnis für Vergehen wie Ehebruch, Lästerei, Streit oder Diebstahl. Die Strafen hierfür waren drakonisch.
Auch Fragen zur Entbindung, zum Antoniusfeuer oder die Tatsache, dass auch heute noch Mutterkorn zu Vergiftungen führen kann, und zwar im Müsli, waren
Themen, die einen aufhorchen ließen und als Haushaltshilfe sehr praktisch sich umsetzen lassen. Mit diesen Tipps gesättigt wurde die doch sehr erheiterte
Gesellschaft durch die protestantisch geprägte Stadt geführt. Hier kann man auch erleben, wie wiederum katholische Enklaven in einer lutherischen Stadt sehr
unterschiedlich und punktuell rezipiert werden. Memmingen ist die Stadt der Freiheitspartei der Bauern in der Reformation, geprägt von Protes-tantismus eines
Zwingli und zweigeteilt in einen gotisch geprägten Protestantismus (Wirtschaft und So-ziales) und der Seelsorge, sichtbar im barocken Stucksaal für Bettelorden.
Hier wurde dann „Oriens Occidens“ herausgefordert, als man die Gruppe aufforderte, die hervorragende Akustik des gotischen Saals zu erproben. Und diesmal
war auch der Archimandrit vom Ergebnis durchaus zufriedengestellt.
Ein zweiter Anlauf war dann der Besuch des Bauernhofmuseums in Illerbeuren. Auch dorthin war die Fahrt nur sehr kurz. Diese war auch versehen mit einem
opulenten Mittagessen in der dem Museum zugehörigen eigenen Wirtschaft. Das Leben der Allgäuer Bauern, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse sowie die
Bräuche und Gewohnheiten, die eine gelebte Religiosität aufscheinen lassen, standen im Mit-telpunkt der Führung. Hier ließ die kompetente Führerin, eine
würdige Verwandte der Sailer-Familie, im-mer wieder Redewendungen plastisch aufleben, die in unserem täglichen Wortschatz noch vorhanden sind, deren
Ursprung aber langsam vergessen wird. So wurden Redensarten wie „sich nicht verzetteln“ oder die „geschlossene Gesellschaft“ oder „der alte Knacker“ nebenbei
und mit viel Humor vorgeführt.
Den Abschluss bot am späten Nachmittag dann die letzte Führung in der Wallfahrtskirche Maria Steinbach, die nach wiederum kurzer Fahrt auf einem Hügel zu
erspähen war. Liebenswerterweise übernahm hier der ehemalige Wallfahrtspfarrer die Führung. Wie er erzählte, löste ein wundertätiges Gnadenbild der
schmerzhaften Muttergottes einen so großen Zustrom von Gläubigen aus, dass im 18. Jahrhundert ein Neubau im Rokoko-Stil begonnen wurde. Neben der
Wallfahrt zur schmerzhaften Mut-tergottes hat zugleich die ursprüngliche Wallfahrt zum Heiligen Kreuz – wiederum ein Partikel des Heili-gen Kreuzes zu
Jerusalem – seine Heimat. Im Innenraum zeigte er uns das Kreuzreliquiar und erörterte kundig viele der Gemälde und Figuren, die alle auf das zentrale Motive der
Muttergottes ausgerichtet sind. Auch einzelne Details waren ihm erwähnenswert, so die beiden Engel zu Füßen Mariens im Mari-enaltar, die im Volksmund „Trotz-
Engele“ und „Plärr-Engele“ genannt werden. Die gesamte Anlage zeigt allein durch ihre Größe eine Bedeutung, die bis heute anhält.
Ausklang und würdiger Abschluss des Tages war letztlich das Gedenken der lieben Verstorbenen in der Pannychida, die in der Gästekapelle unter der Leitung des
Archimandriten gefeiert wurde.
Und es ward Nacht und es ward Morgen: 31.August, Abreisetag
Wahrlich passend zum vorausgegangenen Tag und zum Besuch vieler mit Maria verbundener Heiligtü-mer feierte die Gemeinschaft in einem Morgenlob mit den
Tages-Troparien und Kondakien das Fest der Niederlegung des Gürtels der Gottesgebärerin.
Wiederum gestärkt eilten vor der endgültigen Heimfahrt die Kutschen noch einmal zu einem ehemaligen Kloster, dem der Karthäuser zu Buxheim. Der Ort, nahezu
ein Stadtteil von Memmingen, strahlt eine Ruhe aus, die sicher mit der ehemaligen Karthause in Einklang geht.
Der Gang durch das Gebäude wurde, kundig und auch mit persönlichen Erlebnissen ergänzt, von einer Führerin geleitet, die uns zum einen die Lebensweise
eines Karthäuser-Mönchs anhand einer beispiel-haften Zelle erläuterte, zum anderen dann das vor wenigen Jahrzehnten aus England zurückgebrachte
Chorgestühl eingehend betrachten ließ. Beide Seiten waren sehr beeindruckend. Die abgeschlossene und sehr einfache Lebensweise, die sich ganz und gar dem
Gebet und Gott widmet, sodass der Kontakt nach außen nur sehr selten gesucht wird, wurde durch ein persönliches Erlebnis der Leiterin angerei-chert, die
erzählte, wie diese Mönche in einem Gespräch ein inneres Strahlen zeigen, das sicherlich überwältigend sein kann. Überwältigend war ebenso das Chorgestühl
mit den vielen Figuren, die zum einen den Kampf gegen die unten lauernden Dämonen zeigen, dann auf einer weiter oben liegenden Ebene Wegweiser für diesen
erfolgreichen Kampf sind. Die oberste Reihe bevölkern dann natürlich die Heilsgestalten der zwölf Apostel und des Leiters des Kampfes, Erzengel Michael.
Zurückgekauft wurde das Gestühl, als die damaligen Besitzer, die Schwestern des St. Saviours Hospital in London, in eine andere Grafschaft umziehen mussten.
Erst nach jahrelanger Restauration konnte es dann wieder aufge-baut werden.
Der Dank ist den drei Organisatoren gewiss, die Freude des den von ihnen vorgesteckten Weg fahren-den Volkes ihr Lohn.
Ohne den Rahmen der geistlich-spirituellen Gesänge und der inneren Einkehr in der Gästekapelle am Abend und am Morgen eines jeden Tages, wäre der Ausritt
nicht das gewesen, was man eine ganzheit-lich-barocke Erfahrung nennen könnte. Der Dank gebührt dem Vor-Arbeiter und der Vor-Arbeiterin im jedermann und
jederfrau bekannten Weinberg.
Franz Josef Hertle