Oriens-Occidens verbindet Christen
verschiedener Kirchen aus Ost und West
Seminar im koptisch-orthodoxen Kloster Brenkhausen
verbunden mit einer Harzreise
02.-05. September 2021
Unser Seminar- und Ausgangspunkt war das koptisch-orthodoxe
Kloster Brenkhausen nahe Höxter, in dem uns Bischof Anba
Damian, Hausherr und Hüter des Klosters, überaus gastfreundlich
und herzlich begrüßte. Für diejenigen, die Bischof Damian und sein
Kloster zum ersten Mal erlebten, ist es nur schwer nachvollziehbar,
wie es ihm gelungen war, aus der ehemaligen Ruine eines
Zisterzienserinnen- bzw. Benediktinerinnen-Klosters eine
ökumenische Begegnungsstätte, ein beliebtes Ausflugsziel und
einen renommierten Tagungsort zu machen. In einer Führung
erläuterte er uns die langwierige und aufwändige Entwicklung der
Instandsetzungen der Gebäude und zeigte uns das Ergebnis und
die Verwirklichung seiner Visionen. Selbstverständlich spielt
Ägypten hier eine maßgebende Rolle: Es gibt einen Raum, der sich
auf die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten bezieht, aber auch
„Ägypten und die Bibel“ ist ein Thema, der Raum der Märtyrer und
vieles mehr…
„Die Harzreise“ - so lautet ein literarischer Reisebericht von Heinrich
Heine aus dem Jahre 1824, der seinen ersten großen
Publikumserfolg begründete. Er beinhaltet Natur- und
Landschaftsbeschreibungen einer zauberhaften Gegend unter
Bezugnahme auf Märchen und Sagen und beschreibt verklärend
das Leben der einfachen Leute. Fast 200 Jahre später machten wir
uns auf eine ähnliche, dreitägige Reise, allerdings mit dem
Themenschwerpunkt „Klöster entlang des Harzer
Klosterwanderwegs“.
Unser erstes Harz-Städtchen, das wir besuchten, war Goslar, das
durch seine malerischen, mittelalterlich anmutenden
Fachwerkhäuser besticht. Doch noch bevor wir uns in den
Gässchen und Plätzen tummelten, trafen wir uns bei der
imposanten Kaiserpfalz, Unesco-Weltkulturerbe und ehemals Sitz
des Kaisers Heinrich II., mit dem ehemaligen Kollegiatstift „St.
Simon und Judas“, der Pfalzkapelle St. Ulrich und der
Liebfrauenkirche. Zentrum von Goslar ist zweifellos der Marktplatz,
der durch die evangelisch-lutherische dreischiffige Marktkirche „St.
Cosmas und Damian“ beherrscht wird. Während einer
zehnminütigen Andacht, in die wir zufällig gerieten, hatten wir
Gelegenheit, die wunderschönen Kirchenfenster und die Kanzel zu
betrachten.
Eine weitere historische Kirche in der Altstadt ist die Jakobikirche mit
einem bemerkenswerten Taufbecken. In der Neuwerk-Kirche – die dritte,
die wir besichtigten, - fällt sofort das 3.20 m hohe Kreuz im Mittelschiff
auf, das aus dem beginnenden 16. Jahrhundert stammt. Aus der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen die wunderbaren Fresken rund
um die Hauptapsis, die im Zentrum die Muttergottes und auf ihrem
Schoß den segnenden Christus darstellen.
Der Nachmittag war der Besichtigung und dem Besuch des weitläufigen
und eindrucksvollen Klosterguts Wöltingerode vorbehalten. Eine
wechselvolle Geschichte durch viele Jahrhunderte liegt diesem Anwesen
zugrunde. Heute beinhaltet es ein Hotel, Tagungshaus, Landwirtschaft,
Likörbrennerei und vieles mehr. Mit vielfältigen, reichen Eindrücken
kehrten wir abends nach Brenkhausen zurück - und ahnten nicht, dass
der folgende Tag diesem in keiner Weise nachstehen würde.
Im Gegenteil: Quedlinburg bietet mit seinem Dom den wohl
geschichtsträchtigsten Ort in der Umgebung schlechthin. Der
Schlossberg mit der romanischen Stiftskirche St. Servatius und dem
Domschatz als Zeugnis des Quedlinburger Damenstifts war unsere erste
Adresse. „Damenstift“ ist allerdings eine harmlose, in die Irre führende
Bezeichnung für eine Institution, die eine stattliche Reihe von
aristokratischen Frauengestalten hervorbrachte, die als Äbtissinnen in
engem Austausch mit den jeweiligen Regenten über Jahrhunderte
hinweg Macht und Einfluss über die ganze Region besaßen. Fasziniert
lauschten wir den spannenden Erläuterungen unseres Führers,
betrachteten die alten ehrwürdigen Grabdenkmäler, darunter die
Grablege Heinrichs I., und besuchten die Domschatz-Räume, die u.a.
Geschenke der Kaiser des 10. bis 12. Jahrhunderts an die Kirche und
das Stift aufbewahren. Die Kirche St. Blasius hingegen, ein alter
Kirchenbau, der seinen Ursprung im 10. Jahrhundert hat, ist inzwischen
zum Kultursaal der Stadt geworden, in dem Konzerte, Ausstellungen etc.
stattfinden.
Weiter ging die Fahrt nach der Mittagspause nach Halberstadt, denn
hier befinden sich eine Reihe bedeutender Kirchen und
Sehenswürdigkeiten, die ihresgleichen suchen. Die Liebfrauenkirche als
rein romanische Basilika bietet mit ihren Chorschranken aus der Zeit um
1200 ein einzigartiges Kunstwerk. Zu sehen sind die Jünger, die auf der
Nordseite Christus, auf der Südseite Maria umrahmen. Maria macht
besonders auf sich aufmerksam, denn hier hat sie ihr Haar
untypischerweise, aber sehr reizvoll in Zöpfen geflochten. In der
wunderbar ausgemalten Barbarakapelle aus der Zeit um 1420 begegnen
wir ihr wieder, allerdings in der schmerzvollen Darstellung einer
wunderschönen Pieta.
Herausragend und nahezu überwältigend präsentierte sich der gotische
Dom mit originalen Glasmalereien, Altarbildern und Skulpturen. Nach
einem ausführlichen Rundgang begaben wir uns in die weitläufigen
Räume der Schatzkammer, die Aufschluss gaben über mittelalterliche
Glaubensinhalte und kirchliche Pracht: Bekleidungen der Geistlichen
aus Gold und Silber, Schnitzereien aus Elfenbein und Bergkristall,
kostbare Gefäße, byzantinische Textil- und Goldschmiedewerke – und
als Highlight die ältesten Wandteppiche der Welt mit biblischen Motiven.
Benommen und stumm, noch unter dem Eindruck des Domschatzes,
trafen wir uns nach der Besichtigung vor dem Kirchenportal, um die
Heimfahrt nach Brenkhausen anzutreten. Die FahrerInnen unserer
kleinen Fahrgemeinschaften mussten mit erheblicher Konzentration
etliche Hunderte von Kilometern, vorbei am berühmt berüchtigten
Brocken, bis zu unserem Ausgangspunkt zurücklegen, die „Mitfahrer“
konnten sich im Auto die vielen Eindrücke nochmals Revue passieren
lassen. – An dieser Stelle sei den FahrerInnen und der umsichtigen
Organisation ganz herzlich gedankt, denn diese Fülle an Erlebnissen,
Entdeckungen und Eindrücken war das Resultat sorgfältiger Planung
und Vorbereitung durch Archimandrit Thiermeyer, Andreas Gressierer
und Edeltraud Weber.
Wie jeden Abend ließen wir auch diesen Tag mit einem Abendgebet mit
Archimandrit Thiermeyer und Bischof Damian in der Hauskapelle
ausklingen. Beim Abendessen in der gemütlichen Gaststube des
Gästehauses fand – wie auch in den vergangenen Abenden – noch ein
reger Gedankenaustausch statt.
Am nächsten Morgen, nach der Sonntagsmesse und einem stärkenden
Frühstück, hieß es Abschied nehmen von Bischof Damian, seinem
gastlichen Kloster – und dem Harz, der nicht nur landschaftlich
wunderschön ist, sondern in ungeahnter Weise eine unendliche Fülle an
Kostbarkeiten birgt.
Dr. Larissa Kowal-Wolk